Hier noch mal unsere Rede über die Arbeitsbedingungen in der Gastro + Krise, welche wir am Ende wegen technischen Problemen nicht mehr halten konnten.
————————-
Die Sonne strahlt, die Cafés füllen sich langsam wieder und Corona scheint schon fast vergessen zu sein. Die Fallzahlen schaffen es nur noch selten in die Abendnachrichten und es gibt auch keine Sondersendungen mehr. Dies gibt uns Gelegenheit über die letzten Monate nachzudenken und somit auch über das System, in dem wir uns befinden. Es kann nicht sein, dass sich die Allermeisten von uns ernsthafte Sorgen um ihre Existenz machen mussten und auch noch machen müssen, weil sie 1-2 Monate nicht arbeiten konnten. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und dennoch lebt ein Großteil von uns quasi von Monat zu Monat und kann sich kein gutes „Polster“ schaffen. Wenn die Corona-Krise Eines gezeigt hat, dann dass wir in einem Scheiß-System leben, in dem die Meisten schon bei kleinsten Krisenerscheinungen Existenzängste hegen und dies nicht unbegründet. Jede von uns kennt jemanden, die sich durch Jobs in der Gastronomie ihren Lebensunterhalt finanzieren muss- in der Regel zum Mindestlohn angestellt und vom Trinkgeld der KundInnen abhängig. Immer ein Lächeln aufgesetzt, damit man über die Runden kommt. Viele machen es vorübergehend als Nebenjob, deswegen interessieren sie die schlechten Arbeitsbedingungen auch nicht, weil die Zeit schon vorübergehe und der Lohn durch das Trinkgeld unterm Strich dann doch irgendwie klargehe.
Doch jetzt, wo aufgrund der Coronakrise niemand mehr in den Cafés und Kneipen arbeiten kann, werden diese schlechten Arbeitsbedingungen sichtbar. Das Trinkgeld fehlt und viele Chefs bezahlen nicht einmal mehr den Lohn. Wer Glück hat, wird noch in Kurzarbeit geschickt. Wer schwarz arbeitet, bekommt nun eh überhaupt gar keine Unterstützung.Viele werden schon am Anfang der Krise einfach direkt gekündigt. Kündigungsschutz? – davon haben die allerwenigsten bislang überhaupt etwa Konkretes gehört.
Ich habe viele Freundinnen und Freunde, die auf der Reeperbahn in den Kneipen gearbeitet haben. Dort haben die Chefs die Corona-Hilfen beantragt und bekommen, diese aber nicht an die Angestellten weitergeleitet. Einige waren so dreist, ihre Läden mit dem Geld zu renovieren und den ArbeiterInnen 100-200 € anzubieten. Was sollen wir mit einer Einmalzahlung von 100€ in einer Stadt, die immer teurer wird?Kaum jemand wagte es, sich zu wehren. Ich kenne bloß eine Person, die nun gegen ihre Kündigung vorgeht. Weil etliche der Meinung sind, dass sie diesen Job eh nur kurzweilig ausüben wollen, lassen sie sich viel zu viel gefallen, anstatt sich zu wehren. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist extrem niedrig. Viele sind dem Gedanken verfallen, dass sie sich schnell aus diesen Arbeitsbedingungen retten könnten, wenn sie wollten. Sie glauben an den Traum vom Tellerwäscher zum Millionär – zwar in einer abgeschwächten Version, aber der Wunsch für die Zukunft ist häufig, sich durch eine andere Ausbildung bessere Lebensbedingung zu schaffen. Dadurch setzt man sich aber nicht für die konkrete Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein.
So bleibt man leider häufig bloß Opfer – Opfer von Chefs, die einen bis auf den letzten Tropfen auspressen. Nachtarbeit für Mindestlohn ist ganz normal in der Branche. Die Chefs verweisen dann auf das zu erwartende Trinkgeld. Kameraüberwachung auf der Arbeit ist inzwischen Gang und Gebe – es sei ja schließlich auch in unserem Sinne, dass die Kasse am Ende stimme. Ist der Chef genervt, lässt er dies natürlich an uns aus, in der Krise ist er ständig genervt. Die Gastro-Branche ist ohnehin knallhart, man muss sich vieles gefallen lassen. Ist der Gast genervt, ist das in den meisten Fällen nicht deine Schuld, dennoch lässt er es dich spüren, spätestens am Trinkgeld.
Alle reden seit Ausbruch des Virus von „Krise“. Doch die eigentliche Krise kommt erst noch!Auch wenn die Läden in der nächsten Zeit zunehmend öffnen können, wird sich die Wirtschaftskrise im Geldbeutel der Gäste bemerkbar machen und somit auch bei uns. Wenn wir weiter resignieren, dass diese Jobs ja nur von kurzer Dauer seien, dann kann uns auch unser Chef weiter über den Tisch ziehen. Wenn wir uns aber im Hier und Jetzt für bessere Arbeitsbedingung einsetzen, dann werden wir erkennen, dass wir nicht alleine sind. Wir müssen gemeinsam kämpfen, um an unseren Lebensbedingungen wirklich etwas ändern zu können! Statt den Kopf in den Sand zu stecken, müssen wir Solidarität praktisch werden lassen. Hören wir auf zu resignieren, fangen wir an zu kämpfen!Gerade machen gegen ihr Krise!